Dienstag, 2. Dezember 2024, 17 Uhr, Bürgerhaus Rommelshausen. Vortrag von Kathrin Bauer + Forum: „Leonie Fürst – Widerstand gegen die Euthanasie in der NS-Zeit“

Anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung lädt die Diakonie Stetten zu einem Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion über Leonie Fürst ein. Die junge Ärztin setzte sich im Jahr 1940 mutig gegen die Deportation von Bewohnern der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Stetten ein, die im Rahmen des „Euthanasie-Programms“ der Nationalsozialisten in der Tötungsanstalt Grafeneck ermordet werden sollten.
Leonie Fürst war zur Zeit der Transporte von Stettener Behinderten in die Tötungsanstalt Grafeneck die stellvertretende Anstaltsärztin. Sie kam im Mai 1940, damals erst 28 Jahre alt, als Vertretung in die Landarztpraxis des Anstaltsarztes Dr. Gmelin. Dieser jungen Ärztin oblag es bei verschiedenen Transporten, die Menschen zu identifizieren, die auf den mitgebrachten Transportlisten der „Grauen Busse“ für die Fahrt in den Tod vorgesehen waren. Oder, wenn es ihr gelang, jemand von der Liste wieder runterzukriegen, jemand anderen zu bestimmen, der/die deren Platz einnahm.
In seinem Standardwerk „Das Schloß an der Grenze“ [1997, Diakoniewissenschaftl. Inst. der Uni Heidelberg] schreibt Martin Kalusche über ihre Tragik: „Eine Schlüsselrolle spielt Dr. Fürst am 5. November, als sie im Stuttgarter Innenministerium vergeblich versucht, den 4. Transport zu verhindern. Medizinalrat Dr. Mauthe [einer der Schreibtischtäter der Behindertenmorde im Innenministerium], wirft der jungen Ärztin selbstsüchtiges Verhalten vor und kündigt an, daß die Auflösung der Anstalt beschlossene Sache sei. Daraufhin kehrt sie völlig gebrochen nach Stetten zurück und überzeugt Inspektor Schlaich von der Vergeblichkeit weiteren Widerstandes und der Sinnlosigkeit persönlicher Gefährdung. Sie erklärt sich zur Herausgabe der behinderten Menschen bereit und übernimmt die Identifizierung der zu Deportierenden“.
Kathrin Bauer von der Gedenkstätte Grafeneck hat im Auftrag der Diakonie Stetten eine wissenschaftlichen Studie und das Buch „Oh, ich hasse es dieses Pack“ über das Leben und Wirken von Leonie Fürst verfasst, das bei der Veranstaltung vorgestellt wird. Mit der Publikation will die Diakonie Stetten einen Beitrag dazu leisten, Menschen ins Bewusstsein zu rücken, die sich selbstlos, mutig und ohne Rücksicht auf das eigene Schicksal in den Dienst für andere stellen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wird es auch um die Frage gehen, was wir heute noch aus dieser (Lebens-) Geschichte lernen können.
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.
Das Buch „Oh, ich hasse es, diese Pack“ über Leonie Fürst, verfasst von Kathrin Bauer, ist an der Pforte der Diakonie Stetten kostenlos erhältlich.
Eine Veranstaltung der Diakonie Stetten.

Leonie Fürst in jungen Jahren, Foto Diakonie Stetten
Leonie Fürst im Alter, Foto privat